Techniken zur Szeneneinleitung

Als Geschichtenschreiber sind wir nicht nur die, die sich Handlung und Charaktere ausdenken (oder geschehen lassen) sondern, und das ist eigentlich noch wichtiger, die, die Handlung und Charaktere in eine dynamische Symbiose setzen. Wir sind in gewisser Maßen Regisseur der Geschichte. Heißt: Es liegt an uns, ähnlich wie beim Film, wie wir dem Leser etwas vermitteln, was wir ihm zeigen und in welcher Reihenfolge. Anfang, Mittelteil und Ende einer Szene haben jeweils ihre eigenen Schwierigkeiten, mit denen wir klar kommen müssen.

Anfang: Interessant und fesselnd
Mittelteil: Nicht gehetzt und nicht zu langatmig, je Situation und Handlung angepasst.
Ende: Was ist besser? abgehakt? Langsames, ruhiges zum Schluss kommen? Oder Ein Cliffhanger?

 

Das ist nun sehr allgemein gesagt, aber das ist auch okay. Ausnahmen bestätigen die Regel.


Ich kenne viele, die sagen: “Ich weiß immer nicht, wie ich anfangen soll”.

Stellt euch eure Geschichte wie einen Film vor und versucht ihn dann zu beschreiben. Tatsächlich haben wir beim Schreiben ähnliche Möglichkeiten wie beim Film, eine Szene zu beginnen und durchzuziehen, aber auch, eine Szene zu beenden. Hier stelle ich euch ein paar Möglichkeiten vor, die man aus dem Film entnehmen und beim Schreiben einsetzen kann.

Zoom-In & Zoom-Out

Zoom-In ist mit dem Überblick über die Gesamtsituation anzufangen und dann immer mehr ins Detail zu gehen.

 

Beispiel I:

Finstere Nacht liegt unter dem wolkenverhangenen Gestirn. Dunkle Gewitterschwaden drohen den aufkommenden Wolkenbruch an, der über die hügelige Ebene bis in die Stadt Regen und Blitze hinablassen wird. Die vereinzelten Lichter der Wohnungen in den Häusern und Wolkenkratzern der Kleinstadt und ihre Lichtalleen der Straßen liegen hinter dem Mann, der mit wutzerfressenem, ernstem Gesicht die wenig befahrene Straße entlang stapft.
Nur wenige Autos rauschen ab und an an ihm vorbei, die hellen Scheinwerfer blenden, doch den Mann scheint das nicht zu stören. Er beachtete keines der Fahrzeuge, auch nicht die vereinzelten Blitze, die in dem Wetterleuchten die finsteren Wolken für Sekundenbruchteile erhellen. Als die ersten Regentropfen fallen, lupft er sich die Kapuze seines dunkelroten Mantels über die schwarzen Haare.

 

Beispiel 2:

Der Hohn der Sonne schien vom Himmel herab. Herab auf die Schar der Menschen, die in dunkler, trister Kleidung beisammen standen. Sie sagten kaum ein Wort, doch Schluchzen und Weinen durchbohrte die schwüle Luft, in der das sanfte Knistern eines Gewitters lag. Feuchte Augen starrten auf den hellen Stein, der in einer der vielen Reihen aus der Erde ragte. Doch dieser Stein war besonders. Möglichst naturbelassen wirkte er warm im Vergleich zu denen, die ihn umgaben. Aus den graugrünen Augen, die zitternd auf die eingravierten Buchstaben starrten als erhebten sie sich und formten sich in etwas anderes, sprach keine Wärme mehr. Als würde sie aufgesogen von dem hellen Stein und nur dunkle Kälte zurück lassen. Die Lider schlossen sich für ein Blinzeln, Tränen quollen hervor und unter dem leicht kantigem, schmalen Kopf drückte sich ein Gesicht an das schwarze Hemd.

 

Das kann man natürlich noch weiter ausreizen, das Panorama näher beschreiben und langsamer "heranzoomen".

 

Zoom-Out ist bei einem Detail anzufangen und den Blickwinkel und das Wissen des Lesers immer ein Stück zu erweitern.

 

Beispiel:

“Lass mich nicht zappeln, Hinoka-san.”
Hinter dem schmalen Lächeln auf dem leicht schief gelegten Kopf lag etwas, das man diesem - zwar distanzierten, aber freundlichen - Gesicht nicht sofort zutraute.
Braune, gut gepflegte Haare fielen in lockerem, aber nicht wildem Stufenschnitt bis zu den Ohren und bildeten eine angenehme, recht klassische Frisur. Sie umrahmten das gleichmäßige Gesicht schlichter ovaler Form mit leicht spitz zulaufendem Kinn, und einer hübschen, nicht zu kleinen und nicht zu klobigen Nase, die ohne Krümmung zwischen einem dunkelblauen Augenpaar und schmalen, einladenden Lippen saß. Relativ hohe Wangenknochen, die nicht weit hervorstanden, gaben dem Gesicht etwas Unauffälliges, sehr Attraktives.
Die dunkle Pupille saß in der Mitte einer nachthimmelblauen Iris mit etwas helleren Strukturlinien, sie wirkte sehr tief, ein wenig kühl und berechnend, aber nicht böswillig.
In Kombination mit dem seichten, zutraulichen Lächeln war der Ausdruck ruhig, ein wenig schelmisch.

Er beobachtete, wie die Schwarzhaarige in ihrer asiatisch angehauchten Kleidung zu der Theke der Kombüse trat und sich nicht durch das seichte, großzügige Wanken des Raums beeinträchtigen lies. Das Zimmer roch leicht nach dem Salzwasser, das das gesamte Gefährt seit den drei Tagen der Reise umgab und war in hellen Blautönen eingerichtet, gepaart mit weißen Objekten und etwas dunkleren blauen Akzenten. Keine Kombüse der billigen Preisklasse, das stand auf dem ersten Blick fest.

 

Auch hier kann man natürlich noch weiter herauszoomen oder mit einem Gegenständlichen Detail anfangen.

Bullet Time

 Im Film ist das der Effekt, bei dem eine Position gehalten wird und die Kamera um mind. 180 ° um das Objekt herum dreht. Oder die Position. Wie der legendäre tritt in Matrix oder das klassische “Pistolenkugel wird abgeschossen, Kamera dreht sich und zeigt, wie sie trifft/verfehlt”. Natürlich kann man beim Schreiben schlecht anwenden, dass der Leser dies oder das in einer Kamerafahrt um ein statisches Objekt betrachtete, aber den Zeitlupen-Effekt daraus kann man anwenden. In einer dynamischen, schnelle Szene gibt es plötzlich ein Kernelement, das sehr detailliert beschrieben wird.

 

Die Bullet-Time wird im Geschriebenen so wie im Film tatsächlich sehr sehr selten verwendet, da dieses absolute Stillstehen der Zeit schwer einzufangen ist und auch selten wirklich in eine Szene passt. Als Option aber vorhanden.

Vertigo-Effekt / Dolly-Time

Das sind die Momente in Filmen, in denen irgendetwas Entscheidenes passiert, eine Entscheidung fällt oder DIE Erleuchtung auf einen Charakter einprescht. Im Film wird das so dargestellt, dass auf den Charakter gezoomt wird und die Umgebung erscheint wie weggezoomt. Oft werden dadurch Geräusche und Dialoge ausgeblendet oder abgedumpft.

Beispiel:

Ich musste ihn angreifen, bevor er selbst den Angriff auslösen konnte. Jetzt. Urplötzlich, zeitgleich mit einem Grollen, das sich über uns sammelte, riss ich mich von meinem Stand los und sprintete auf meinen Onkel zu. Ich blendete jeden Schmerz aus, biss die Zähne zusammen, schnaufte bewusst. Ich verbannte jeden Zweifel, durchbrach die Mauern meiner Belastbarkeit und setzte alles in diesen Angriff - und sollte mich das das Leben kosten, ich würde Orion mit all meiner Kraft, mit allem, was in mir war, bis zu meinem letzten Atemzug bekämpfen.
„Das ist dein Tod!”, hörte ich Lyon hinter mir Brüllen. Seine Stimme war in Verzweiflung getränkt. „Lass das Kämpfen, Vater!”
Für den winzigen Moment eines Wimpernschlags fragte ich mich, ob er Tränen in den Augen hatte.
„Verzeih mir, Lyon”, schoss es mir durch den Kopf, ehe meine Gedanken selbst in ein Kraft gebendes Gefühl getränkt wurde, das als Wut allseits bekannt war.
Sie entfachte sich stärker denn je als ich Orions Grinsen erblickte, seinen überheblichen Blick, seine erhobene Hand. Keines von Orions Worten erreichte mein Gehör. Zwar sah ich, wie seine Lippen sich bewegten, doch meine Konzentration war allein darauf fixiert, sämtliche Schmerzen zu vergessen und meine Kräfte zu sammeln, sie in diesen Hieb, diesen Schlag zu bannen. Ich war bereit, ihn, meinen Onkel, den König des nördlichen Appon, zu töten. Ich war bereit, zu dem zu werden, wozu er mich machen wollte, das zu tun, was er über mich verbreitet hatte. Auch wenn nicht ich ihn hintergangen hatte, konnte ich mich nicht davor rechtfertigen. Es war meine Ansicht, dass es für die Zukunft dieses Landes besser war, nur noch einen toten Mann zu sehen, als hundert, wenn nicht tausend, weitere Opfer und eine Tyrannenherrschaft zu dulden.
Das Leuchten um Orions Hand wurde stärker, das Donnergrollen über uns lauter, bedrohlicher. Die Luft war warm, der Griff meines Schwertes klebte an meiner Hand. Mit dem nächsten Schritt bohrte sich mein Fuß fest in die Erde, ich stieß mich ab und schwang meinen Arm hinter den Kopf, um im Sprung mehr Wucht für den Schlag zu erhalten.
Es war exakt der Moment, in dem ein zackiges Leuchten am Himmel auf uns zu blitzte und Orion seine Hand hinab riss. Ein fesselnder Lichtblitz, umgarnt von einem tosenden Donner stürzte auf mich herab, umgab mich und durchzog meinen Körper. Ein Zerren und Brennen, Stechen und Bersten stob durch jede Gliedmaße.
Schreiend und japsend spürte ich nun jeden Muskel, jede Sehne, jeden Teil meines Fleisches pulsieren, drückte mein Inneres gegen Haut und Knochen und drohte, meinen Körper zu zerreißen.

 

Slow Motion

Häufiger tritt die "Slow Mo" auf. Die Zeit wird extrem langsam abgespielt. Nicht nur durch detailreiche Beschreibungen, sondern auch andere Erzählweisen. Beispielsweise Metaphern, die die Langatmigkeit des Betrachtens darstellen, oder das Aufgreifen von Gefühlen und Gedanken, körperlichen Reaktionen.

 

Allgemeine Szenenbetrachtungen

Dann gibt es noch allgemeine Szenenbetrachtungen, die einem einfach Insipiration geben, was man beschreibt. Auch aus dem Film geklaut.

 

Longshot: Große Landschaft, einzelnes Objekt oder Person, kaum “sichtbar”. Wäre z.b. der Anfang von einem Zoom-In.

 

Halbtotale: Ein Mensch oder ein Objekt/anderes Wesen wir im gesamten beschrieben. Oder auch eine kleine Gruppierung wird in ihrer Gesamtheit beschrieben.

 

Medium close up: Nur der Oberkörper des Menschen wird beschrieben oder “gezeigt”.

 

Close up: Es wir nur ein Detail oder ein Teil des Körpers gezeigt/beschrieben. Dabei geht es entweder um verdeutlichung von Emotionen und Handlungen oder der verschleierung von Identitäten


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